Freiherr Helmhard Jörger von Tollet


*17.2.1572 bis †1631

Biographie

Helmhard IX. (Helmhart) Jörger von Tollet stammte aus einer der führenden evangelischen Adelsfamilie im Erzherzogtum Österreich ob der Enns, deren Stammsitz Tollet bei Grieskirchen in Oberösterreich lag. Er wurde als Sohn des Wolfgang Jörger und der Apollonia Teufel auf Schloss Starhemberg in Oberösterreich geboren, besuchte die Universitäten in Tübingen, Straßburg, Padua und Siena und war dann in der Verwaltung tätig.
1588 erwarb sein Vater die Herrschaft Hernals westlich von Wien (heute Wien XVII), die er Helmhard überließ. Hernals war das bedeutendste Zentrum der Reformation in der Umgebung Wiens. Die Wiener und Wienerinnen strömten trotz der Verbote des "Auslaufens" massenweise in die nahe gelegene Hernalser Pfarrkirche, um die evangelischen Prädikanten zu hören, den Gottesdiensten beizuwohnen und ihre Kinder taufen zu lassen. Seit der 1577 von Kaiser Rudolf II. verfügten Sperre der Kirche wurden die Gottesdienste im Saal des Schlosses gefeiert und die Predigten aus dem Fenster vor den im Schlosshof versammelten Menschen gehalten.
1608 gehörte Helmhard dem "Horner Bund" an, einem Zusammenschluss der evangelischen Stände, die von Erzherzog Matthias (seit 1612 Kaiser) eine Bestätigung und Erweiterung der von Kaiser Maximilian II. 1568 und 1571 gewährten Religionsfreiheiten forderten. Nach der Gewährung der sog. "Religionskapitulation" 1609 durch Matthias, die den evangelischen Adeligen die freie Religionsausübung auf ihren Schlössern und Herrschaften nicht nur für sich und ihre Untertanen, sondern auch für Pfarrfremde gestattete, führte Helmhard in der unter seinem Patronat stehenden Hernalser Pfarrkirche den öffentlichen evangelischen Gottesdienst ein und berief als ersten evangelischen Pfarrer Johannes Satorius. Am 15. August 1609 fand ein großer Festgottesdienst in der Kirche statt.
Nach dessen Tod im Jahr 1615 wirkten die bedeutenden Prädikanten Johann Mühlberger, Elias Ursinus und der Schwabe M. David Streudlin in Hernals. Großen Wert wurde auf die Musik gelegt. Hernals war die langjährige Wirkungsstätte des bedeutenden Komponisten Andreas Rauch und verfügte über eine - von Helmhard Jörger bezahlte - Musikkapelle mit Orgel, Posaunen und Saitenspiel. Zudem gab es eine Schule und Buchhandlung. Durch die Nähe zu Wien erlebte der Ort einen ungeheuren Zulauf, Tausende sollen hinaus geströmt sein.
1619/20 gehörte Helmhard zu den Führungspersönlichkeiten der evangelischen Ständeopposition, die nach dem Tod des Kaisers Matthias (1619) dessen Nachfolger Ferdinand II. bis zur Bestätigung ihrer Religionsfreiheit die Erbhuldigung verweigerte und mit den aufständischen böhmischen Ständen in Verbindung standen.

Nachdem ein Großteil der evangelischen Stände - 33 Mitglieder der Herrenstandes und 32 des Ritterstandes - 1620 schließlich die Huldigung geleistet hatten, wurden jene, die sich weiterhin weigerten, zu Rebellen erklärt, geächtet und ihre Güter konfisziert. Helmhard Jörger wurde am 16. April 1621 als "Hauptrebell" in Wien festgenommen und zum Tode verurteilt, vom Kaiser aber begnadigt und im Schloss Hernals inhaftiert. Ein Jahr später, am 17. April 1622, wurde das Urteil verkündet, kraft dessen ihm zwar das Leben gelassen, er aber seiner Güter für verlustig erklärt wurde. Schloss und Kirche Hernals wurden im Namen des Kaisers eingezogen und 1625 dem Domkapitel von St. Stephan zuerkannt. Auch das Haus in Wien, das spätere Palais Harrach, und die Herrschaften Walpersdorf und Gutenbrunn gingen verloren. Die erst wenige Jahre zuvor von seinem Vetter geerbten Herrschaften Kreisbach, Bergau, Araburg mit dem Markt Kaumberg und Hohenberg in der Nachbarschaft von Stift Lilienfeld wurden vom Stift erworben (1626).
Die evangelischen Seelsorger und Musiker mussten 1625 Hernals verlassen und gingen nach Inzersdorf. Am 24. August 1625, dem Festtag des Kirchenpatrons Bartholomäus, wurde der erste katholische Gottesdienst in der Hernalser Pfarrkirche gefeiert.

Über Helmhards weiteres Schicksal ist wenig bekannt, 1631 starb er in Linz. Er war mit Anna Maria Khevenhüller verheiratet und hatte etliche Kinder. Nachkommen aus anderen Linien der Jörger waren Mitte des 17. Jahrhunderts nach Annahme des katholischen Glaubens wieder in Hofdiensten, darunter Graf Johann Quintin Jörger (1624-1705), der kaiserlicher Kämmerer und 1651 Vizepräsident der Hofkammer wurde.